Die Bauabnahme als zentraler Zeitpunkt des Bauvertrages

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Die Abnahme eines Bauwerkes ist rechtlich von überragender Bedeutung, sodass es umso mehr überrascht, dass sie von Bauvertragsparteien bei der der Abwicklung von Bauverträgen immer wieder sträflich vernachlässigt wird. Denn die Abnahme ist die vertragsrechtliche Zäsur des Bauvertrages: Sie beendet das Erfüllungs- und läutet das Gewährleistungsstadium ein.

Höchstrichterlich definiert ist sie wie folgt: Die Abnahme ist die körperliche Hinnahme der vollendeten Leistung und deren Billigung als eine wenigstens in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung. Und bereits die Unschärfe dieser Definition, die kraft Natur der Sache der Mannigfaltigkeit der Vielzahl der Einzelfälle, die sie abstrakt zu erfassen versucht, geschuldet ist, birgt gewaltiges Konfliktpotential – hier ist rechtsanwaltliche Unterstützung essentiell!

In der Praxis setzt die Abnahme naturgemäß voraus, dass das Werk fertiggestellt – bzw. abnahmereif – ist. Wenn also z.B. die vertraglich geschuldeten Außenanlagen noch fehlen, dann ist das – ansonsten vielleicht schon bezugsreife – Bauwerk insgesamt nicht abnahmefähig. Im Gegensatz dazu können kleinere Mängel – insbesondere rein „optische“ – der Abnahme nicht entgegenstehen.

Eine Erklärung der Abnahme, die ausschließlich vom Auftraggeber bzw. einer hierfür ausdrücklich bevollmächtigten Person (dies gilt auch für Architekten!) wirksam erklärt werden kann, ist eine vertragliche Verpflichtung und nicht bloß eine Obliegenheit.

Im klassischen Fall werden Auftraggeber und Auftragnehmer das Bauwerk in persona gemeinsam begutachten. Für Beweiszwecke sollte in formeller Hinsicht über die Abnahme jedoch zwingender Maßen immer auch ein schriftliches Protokoll erstellt werden, das vor Allem etwaige Mängel dokumentiert. Letztlich aber kann die Abnahme auch ohne Begutachtung und Protokoll – konkludent etwa im Wege einer vorbehaltslosen Vergütungszahlung oder eines vorbehaltslosen Einzugs – erfolgen.

Schließlich kann die Abnahme sogar auch fingiert werden: „Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.“ (§ 640 Abs. 2 BGB). Ist der Besteller des Werkes jedoch Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, muss ihn das ausführende Unternehmen zusätzlich in Textform auf den Tatbestand einer fingierten Abnahme besonders hinweisen.

Zu den unmittelbar mit der Abnahme zusammenhängenden Rechtsfolgen gehören:

  • Die Beweislastumkehr: Vor der Abnahme hat der Auftragnehmer im Streitfall zu beweisen, dass seine Leistung vertragsgemäß ist. Nach ihr muss nunmehr der Auftraggeber behauptete Mängel darlegen und nachweisen.
  • Die Vergütungsfälligkeit: Mit der Abnahme wird grundsätzlich die Vergütung des Auftragnehmers fällig, und er ist jetzt verpflichtet, seinen bestehenden Werklohnanspruch insgesamt abzurechnen.
  • Die Vergütungsverzinsung: Von der Abnahme des Werkes an muss der noch offene Werklohn des Auftragnehmers verzinst werden.
  • Der Beginn der Gewährleistung: Die Abnahme läutet die Gewährleistungsphase ein, die vertraglich vereinbarte oder gesetzliche Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen.
  • Der Gefahrübergang: Wird die Leistung vor der Abnahme beschädigt, so ist grundsätzlich der Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung verpflichtet. Nach der Abnahme aber geht diese Gefahr auf den Auftraggeber über.
  • Der Vorbehalt der Vertragsstrafe: Eine vereinbarte Vertragsstrafe kann zur Rate gezogen werden, wenn sich der Auftraggeber die Geltendmachung der Vertragsstrafe bei der Abnahme ausdrücklich vorbehalten hat.

Sanjin Ibrahimbegovic LL.M., Rechtsanwalt

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