Über viele Jahrzehnte war die Glienicker Brücke die Grenze zwischen West-Berlin und Potsdam. Auf Potsdamer Seite gab es ein Sperrgebiet und damit war das Areal nur für Anwohner zugänglich. Somit führte die Villa unmittelbar links vor der Glienicker Brücke ein Schattendasein und bot auch viele Jahre nach der politischen Wende einen eher traurigen Anblick. Dabei waren die Ideen bei ihrer Planung von Schönheit und Erhabenheit getragen.

Auf der gegenüberliegenden Seite war nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel 1825 das Schloss Glienicke im italienisch-antiken Stil entstanden. Dazu gehören fast am Ufer der Havel das Casino mit seinen symmetrischen Fassaden, den ausladenden Laubengängen und antiken Fragmenten ebenso wie die große Neugier als runder Pavillon mit 16 Säulen und beeindruckender Bekrönung. Diesen Schmuckstücken sollte auf der anderen Wasserseite ein korrespondierendes Pendant antworten. So entstand fast zwei Jahrzehnte später, nach den Plänen von Ludwig Persius, die Villa Schöningen.
Trotz des großen Gestaltungswillens seitens Friedrich Wilhem IV. wurde die Villa Schöningen kein kompletter Neubau. An der Stelle stand bereits ein Gebäude, welches im Frühjahr 1844 teilweise abgerissen wurde. Es blieben das Keller- und Erdgeschoss erhalten. Beide wurden entsprechend der gewünschten architektonischen Wirkung angepasst. Besonderes Augenmerk legte der Architekt auf die dem Wasser zugewandten Fassaden zur Schwanenallee. Persius setzte gestaffelte Kuben aneinandern, die eine malerische Wirkung erzielten. Sie verbindet ein doppelter horizontaler Gesimsstreifen. Er grenzt das Sockelgeschoss und Obergeschoss voneinander ab, während auf dem zweiten Gesimsstreifen Fenster und Brüstungen ruhen. Somit ergibt sich ein breites horizontales Band, welches sich um das gesamte Gebäude spannt.

Die größte Herausforderung für Persius dürften die Einzelfassaden gewesen sein, denn was auf den ersten Blick wie pure Symmetrie aussieht, entpuppt sich zum Beispiel bei der Loggia als leicht asymmetrisch. Auch die Verbindung der unterschiedlich hohen Kuben musste baukünstlerisch gelöst werden. Insgesamt erinnern die Überschneidungen der einzelnen Körper an die modernen Villen von Richard Neutra in Kalifornien. Zurück nach Potsdam, wo Ludwig Persius der Villa Schöningen mit dem schlanken Turm und seiner Rundbogenöffnungen von außen ein Zentrum gibt. Die flachen Satteldächer erhielten filigrane Spitzen und teilweise aus der Antike bekannte Stirnziegel. Ebenfalls typisch für die klassizistische Architektur ist die nahezu monochrome Farbgebung der Fassaden, von der nur die blaue Nische an der Hauptfassade abweicht. In der Rundbogennische zwischen den Fenstern im Obergeschoss steht heute eine Kopie der originalen Zinkgussfigur der Minerva. Sie war als Göttin der Weisheit, der taktischen Kriegsführung, der Kunst und des Schiffbaus sowie Hüterin des Wissens eine der wichtigsten römischen Gottheiten. In Potsdam sollte sie den Bewohner Kurd Wolfgang von Schöning (*1789, +1859) als Militärexperten ausweisen. Er erhielt 1856 durch Friedrich Wilhelm IV. den Titel “Historiograph der Armee”. Neben der möglichst breiten, gestaffelten und abwechslungsreichen Fassade zur Wasserseite gab es eine Fassade zur Straße nach Potsdam bzw. Berlin und die beiden Gartenfassaden.
Im Gegensatz zur heutigen Konzeption lag der Hauseingang an der Berliner Straße. Nahezu unsichtbar führten hinter einer halbhohen Mauer die Stufen zum seitlichen Eingang im Sockelgeschoss. Darüber öffnete den zweigeschossigen Vorbau eine Rundbogenöffnung mit Dreiecksgiebel. In der Flucht platzierte Persius den Turm, während seitlich ein höherer Baukörper zur Schwanenallee und ein niedriger zur Gartenseite anschließt. So entstand eine mehrfach gestaffelte Ansicht, die ebenfalls eine möglichst malerische Wirkung erzielen sollte. Gleichzeitig führt sie das Panorama der Hauptfassade fort, ebenso wie an die zweite schmale Seitenfassade eine niedrige Wagenremise für einen lieblichen Übergang sorgte.

Insgesamt besteht die Villa Schöningen somit eigentlich aus zwei Fassaden, der eher schlichten Gartenfassade und einem Fassaden-Panorama, welches sich aus drei Einzelfassaden zusammensetzt. Dieses Panorama diente in erster Linie der Königsfamilie für eine schöne Ansicht vom Schloss Babelsberg, Schloss Glienicke und dem Jagdschloss Glienicke aus. Heute wird die Villa Schöningen als Ausstellungs- und Veranstaltungsort genutzt.
Die Architektur der Villa Schöningen ist besonders bei einem Besuch vor Ort erfahrbar.
An den Wochenenden können Sie die Villa Schöningen und die dort gezeigten zeitgenössischen Kunstausstellungen besuchen.
Mehr Informationen finden Sie unter www.villa-schoeningen.de.
Carsten Schmidt