Lichtskulptur und Aussichtspunkt
Wie eine Krone sitzt der Wolkenhain über den Bäumen des Kienbergs. Expressionistisch bilden die dreieckigen Elemente des Aussichtsbauwerks eine kunstvolle Wolke. Nicht organische oder natürliche, sondern dramatische Formen zeichnen den Wolkenhain aus. Die begehbare Skulptur dient als höchster Aussichtsrundgang über dem Kienberg und ermöglicht einen 360 Grad Panorama-blick über Berlin. Zwischen schlanken weißen Säulen verbindet die mehrfach die Richtung ändernde Treppe das Kienbergplateau mit dem Aussichtsbauwerk in 25 m Höhe. Das Café „Wolke 7“ mit dem integrierten Besucherzentrum ist in die Bergkuppe des Kienberg integriert und liegt direkt unter dem Wolkenhain.

Ursprünglich wurde das Aussichtsbauwerk für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2017 in Marzahn Hellersdorf vom Architekturbüro Kolb Ripke Gesellschaft von Architekten mbH geplant. Es bildete das Zentrum und gab dem Kienberg eine ganz neue Aufmerksamkeit. Nach der IGA blieb das Bauwerk als öffentlich begehbare Aussichtsplattform bestehen. Seither ist die Raumskulptur eine weithin sichtbare Landmarke auf dem Kienberg, der auch Hellersdorfer Berg Genannt wird. Er liegt umgeben vom Kienbergpark im Wuhletal zwischen Cecilienstraße und Eisenacher Straße.
Der Kienberg entstand in der Eiszeit und während der Errichtung der Großwohnbauten in Marzahn wuchs er weiter in die Höhe, denn der Bodenaushub der neuen Wohnbauten wurden auf dem Kienberg abgelagert. Dadurch erhöhte sich der Kienberg von ursprünglich 60 m auf 1 02 m ü. NHN. Der Aufstieg zum Wolkenhain, so der poetische Name des filigranen Bauwerks, erfolgt entweder über einen Serpentinenweg auf der Westseite oder mit der Seilbahn. In dem ruhigen und waldreichen Gebiet entschleunigt sich das Leben und bietet Erholung.
Die Gesamtkonstruktion des Wolkenhains besteht aus dem teilweise in die Bergkuppe eingeschobenen Besucherzentrum mit Café und Terrasse, dem darüberliegenden Kienbergplateau und dem darüber „schwebenden“ Aussichtsrundgang. Das Besucherzentrum/Café ist zur Terrasse großzügig verglast, die Sichtbetondecke und der Sichtbetonboden, weiße Ausstattungselemente und die seitlichen Natursteinmauern an der Fassade sorgen für einen modernen Look. Vom Besucherzentrum leiten Gehwege und Rampen die Gäste auf das Kienbergplateau. Über die Treppe oder den Aufzug ist der Wolkenhain (Aussichtsbauwerk) in 118,50 m ü. NHN zu erreichen. Diese Dreiteilung sorgt für eine optimale Verteilung der Besucher, die von ganz unterschiedlichen Punkten aus das Landschaftspanorama erleben können.
Beim Rundgang über den Wolkenhain in luftiger Höhe muss an einer Stelle eine Treppe überwunden werden, womit der Rundgang im Uhrzeigersinn leicht abfällt. Wie bei einer Bergwanderung gibt es unterschiedliche Höhenniveaus. Auf dem Boden sind Wörter geschrieben, die darüber informieren, was von dem jeweiligen Punkt aus gesehen werden kann. Auch sorgt die unregelmäßige Wegführung, die genau auf die Umgebung abgestimmt ist, für einzigartige Perspektiven sowie eine gewisse Privatsphäre, um das Naturerlebnis ganz individuell genießen zu können.
Möglich wird dieses Erlebnis durch zehn filigrane weiße Säulen, die das Aussichtsbauwerk tragen. Die Stahlsäulen beginnen teilweise bereits im Besucherzentrum, andere erst ab dem Kienbergplateau. Unmittelbar benachbarte Säulen sind miteinander über schlanke Streben verbunden und ermöglichen dadurch die Aussteifung des gesamten Bauwerks. Auch der mit weißen Polycarbonat-Stegplatten verkleidete Aufzugschacht hat eine stabilisierende Funktion. Außerdem dient er der barrierefreien Erreichbarkeit der Aussichtsplattform. Der unregelmäßige Abstand der Säulen erinnert an schlanke hohe Kiefern, deren Kronen ein schützendes Dach bilden.

Zwischen den Stahlsäulen führt eine Treppe vom Kienbergplateau zur Aussichtsplattform. Die Treppe ist wie die Fortsetzung eines natürlichen Wanderwegs und bietet ganz unterschiedliche Perspektiven. In unregelmäßigen Abständen wird ein Plateau erreicht und anschließend dreht die Treppe und der Aufstieg geht in eine Richtung weiter. Diese leichte Drehung verändert die Aufstiegsdynamik. Oben angekommen genießen die Besucher den Weitblick über Berlin und auf das Umland. Bei gutem, klarem Wetter liegt die Sichtweit bei ca. 5O km und der 368 m hohe Fernsehturm am Alexanderplatz ist gut zu erkennen.
Die Tragkonstruktion des Wolkenhain liegt verborgen hinter einer weißen Membranhülle. Sie besteht aus einem Raumtragwerk, das aus einer Vielzahl an vorgefertigten und unterschiedlich langen Rundrohren besteht. Die Rohre werden an über 160 Knotenpunkten zusammengeführt und bilden dadurch das Raumtragwerk. Jedes Rohr trifft in einem anderen Winkel auf die verbindenden Stahlkugeln. Diese aufwändige Konstruktion wird an allen Seiten von einer Membranbekleidung aus einem Silikon-Glasfasergewebe umhüllt. Hierfür wurden 137 individuell gefertigte Membrandreiecke eingesetzt, die in einer Rahmenkonstruktion eingespannt sind. Die besondere Herausforderung bestand in der richtigen Oberflächenspannung, damit auch bei extremen Temperaturen und Wind eine glatte Oberfläche für perfekte Formen sorgt. Durch die weiße Membrane kann das Aussichtsbauwerk als Wolke assoziiert werden.
Highlight ist die Ansicht des Wolkenhains bei Dunkelheit. Denn zwischen die Tragkonstruktion wurde eine LED Lichtanlage integriert. Bei Einsetzen der Dunkelheit beginnt die „Wolke“ von innen heraus zu strahlen. So wird der Rundgang zu einem schwebenden Licht- und Kunstobjekt. Die insgesamt 90 Stableuchten können unterschiedliche Farbstimmungen erzeugen, die auf die Farbstimmung des Himmels bzw. den Sonnenuntergang abgestimmt sind. Ebenso können individuell vielfältige Farbverläufe, je nach gewünschter Stimmung, eingestellt werden. Der Wolkenhain wird zur Lichtskulptur und damit zur Land Art – eine Kunstform aus den USA, die sich in den 1960er Jahren entwickelte. Erst das Beleuchtungskonzept macht die Raumskulptur zu einem schwebenden Objekt (Wolke) über dem Kienberg in Marzahn·Hellersdorf und gibt dem Ort eine neue Bedeutung.
Kolb Ripke Gesellschaft von Architekten mbH / Dr. Carsten Schmidt
