Das Schloss Biesdorf

Schloss Biesdorf
© Kirschgrün (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schloss_Biesdorf_2016.jpg), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Ein Schatz der Berliner Schlossbauhistorie

Wie außergewöhnlich muss ein Gebäude in einer Umgebung wirken, wenn ohne große Umbaumaßnahmen aus einer Villa ein Schloss wird. So geschah es bei der Turmvilla der Familie von Rüxleben in Biesdorf, denn weder das Gebäude hat die Ausmaße eines Schlosses noch waren die Bewohner große Herrscher. Vielmehr befindet sich das reizvolle Bauwerk in einer ebenso malerischen Umgebung und schenkte Biesdorf eine royale Aura.

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© Triebkraft, Schloss Biesdorf, CC BY-SA 3.0

Noch hinter dem Schloss Friedrichsfelde, welches ursprünglich 1685 errichtet wurde und mal im königlichen und herzoglichen Besitz gewesen war, liegt das beschauliche Biesdorf, welches über viele Jahrhunderte ein kleines Rittergut war. In dieser kargen Gegend lebten die Menschen von der Landwirtschaft. Allein von 1823 bis 1853 hatte das Rittergut sechs Besitzer. Etwas mehr Kontinuität setzt ein, als Hans Bruno Freiherr von Rüxleben das Gut 1853 kaufte und es 1862 an seinen Sohn Hans Hermann Freiherr von Rüxleben vererbte. Eine Hollywood-Geschichte begann: Hans Hermann Freiherr von Rüxleben begeisterte sich für die Bodenspekulation innerhalb und außerhalb der Berliner Stadtmauer und lernte dabei die Tochter eines der wohlhabendsten Immobilienbesitzer kennen: Anna Pauline Griebenow. Den Griebenows fehlte jedoch der Adelstitel. Als Anna auch noch schwanger wurde, musste im Mai 1868 geheiratet werden. Als Hochzeitsgeschenk bekam das junge Paar von Annas Mutter die neu errichtete Turmvilla auf dem Gut Biesdorf.

Das Bauwerk wurde 1867-1868 nach den Plänen der Architekten Gropius & Schmieden als Turmvilla mit klassizistischen Stilelementen errichtet. Maßgeblich soll Heino Schmieden der Schöpfer gewesen sein. Insbesondere in Potsdam war ab 1829 der Bautyp italienische Turmvilla beliebt. Typisch für diesen Stil sind gestaffelte Baukörper und Formen der römischen Antike und Renaissance sowie eine fast monochrome Fassadenfarbe. Somit zog mit der Turmvilla der von Rüxleben ins beschauliche Biesdorf herrschaftlicher Wohnluxus des 19. Jahrhunderts ein. Weithin sichtbares Zeichen der neuen Residenz bildete der achteckige Turm mit seinem Pavillon-Abschluss mit Turmhaube. Er diente als Aussichtspunkt, während auf den Etagen gewohnt wurde. Strenge vertikale Fensterachsen, Sandsteinsäulen, Loggien und Dreiecksgiebel sorgten für den gewünschten malerischen Ausdruck nach allen Seiten. Die Fassade erhielt einen rötlich eingefärbten Putz aus Romanzement. Und zur Villa gehörte ein 4 Hektar umfassender Landschaftspark mit Eiskeller. 

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© Jfrontzek, Schloss Biesdorf 2018 c Jan Frontzek WEB, CC BY-SA 4.0

Ein neues Kapitel beginnt mit der Familie von Siemens, die ab 1887 die Villa und umgebenden Areale erwirbt. In dieser Zeit hatte Biesdorf um die 719 Einwohner (1885). Aus dem einstigen Sommerwohnsitz entsteht der Lebensmittelpunkt von Georg Wilhelm von Siemens und seiner Frau Elly. Die Turmvilla wird umgebaut und somit zur Siemens-Villa. Mit den Um- und Ausbauten wurde der Architekt Theodor Astfalck beauftragt. Wichtigste Maßnahme: die an der Ostseite angebaute geschwungene Wangenfreitreppe mit direktem Zugang zum Park. Und ab 1891 wird der Park von Albert Brodersen in Anlehnung an einen englischen Landschaftspark neugestaltet und erweitert. Es entstand ein Teehäuschen/Pavillon aus Robinienstämmen und Birkenästen. Auf einem der Äste findet sich folgender Leitsatz: „Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke“. Gegenüber diesem Holzpavillon gibt es einen Lese- und Ruhegarten. Ebenfalls ließ Siemens einen Tennisplatz nach englischer Mode bauen. Dieser wurde später in einen Erholungsgarten mit Bänken umgestaltet. Auch führte Georg Wilhelm von Siemens eine moderne Landwirtschaft in Biesdorf. Er schätzte die ländliche Idylle sehr, wie er es in seinem Tagebuch 1904 vermerkte. Biesdorf versetze ihn „in eine durch Arbeit und Nachdenken angeregte Stimmung“. Villa und Parkanlage haben 2019 die englische GreenFlag-Parkauszeichnung erhalten.

Die Familie von Siemens machte Biesdorf mit einer Sensation berühmt: Georg Wilhelm von Siemens leitete die Siemens-Schuckertwerke, die in Biesdorf die weltweit erste drehbare Luftschiffhalle baute. Sie ließ sich entsprechend jeder Windrichtung drehen, wodurch Seitenwinde vermieden und eine problemlose Einfahrt bei jeder Windsituation ermöglicht wurde. Am 23.01.1911 fand die 40-minütige Jungfernfahrt des Luftschiffes SSL I statt. Nach einigen Starts, mehrstündigen Fahrten über Berlin und sogar bis nach Gotha und auch missglückten Landungen stellte Siemens im Sommer 1912 die Luftschifffahrt-Entwicklung in Biesdorf wieder ein.

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© Triebkraft, Schloss Biesdorf, CC BY-SA 3.0

Nach dem Ersten Weltkrieg beginnt eine neue Epoche – auch in Biesdorf. Wilhelm von Siemens und seine Frau Elly starben beide im Jahr 1919. Nach vielen Verhandlungen erwirbt die Stadt Berlin im Jahr 1927 das gesamte Anwesen und macht den Park für die Öffentlichkeit zugänglich. Es fallen neue Kosten für Gärtner, Gartenpflege und Sitzbänke an. Der Schlosspark Biesdorf ist damit die erste städtische Grünanlage des heutigen Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Im April 1945 wird das herrschaftliche Gebäude größtenteils zerstört: Dach und Decken stürzen ein, Teile der Fassade brechen zusammen. Nach 1945 besteht das einstige Schloss nur noch aus dem Kellergeschoss und Erdgeschoss, denn das Obergeschoss wird nicht wiedererrichtet. Bis 1990 wird sich nur wenig um das Bauwerk gekümmert. Es war Freizeitstätte, Dorfklub und Kreiskulturhaus. Rettung kam mit dem Denkmalschutzstatus und der einsetzenden Rekonstruktion ab 1984. Erst im Jahr 2016 war auch die Turmvilla wieder hergestellt.

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© Heinzi, Berlin – Biesdorf – Schloß, CC BY-SA 3.0

Heute ist das Schloss Biesdorf bei Anwohnern und Ausflugsgästen sehr beliebt. Im Park finden Konzerte und viele andere Veranstaltungen statt. Das Café Schloss Biesdorf bieten Torten- und Kuchenspezialitäten im besonderen Ambiente an. Auch kann im Schloss Biesdorf die Hochzeitsfeier und andere private Feste stattfinden. Ganz sicher macht der große Landschaftspark die Villa zum Schloss und damit zu einer Besonderheit der Berliner Denkmallandschaft.

Dr. Carsten Schmidt

 

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