Vielfalt der Epochen
Für die Bekanntheit von Köpenick hätte es Carl Zuckmayers Volksstück “Der Hauptmann von Köpenick” von 1931 nicht gebraucht, denn das prachtvolle Schloss sorgte über Jahrhunderte für eine prosperierende Entwicklung. Es entstanden Fachwerkhäuser, Bürgerhäuser, Kirchen und das großartige Rathaus. Lange war Köpenick eigenständig, denn erst seit 1920 ist es ein Stadtteil von Berlin. Heute ist die Altstadt pure Idylle und entschleunigt vom hektischen Alltag. Die älteste Straße heißt Alt-Köpenick und das älteste Wohnhaus steht seit mehr als 400 Jahren an der Adresse Alt-Köpenick 36.

Der Grundstein für das Wohn- und Geschäftshaus Alt-Köpenick 36 wurde im Jahr 1616 gelegt. Das zweigeschossige Haus mit Satteldach, zwei straßenseitigen flachen Gauben und einem Hofgebäude stammt aus der Epoche des Barocks. Es hat eine wechselvolle Geschichte, denn im Jahr 1728 wurde der Fachwerkbau erweitert, 1848 ein seitliches Brauhaus errichtet und am Ende der 1980er Jahre der Abriss geplant. Die Wende verhinderte, wie in vielen Gegenden, den Verlust des Bauwerks. Im Jahr 1994 zogen die ersten Mieter in das denkmalgerecht wieder aufgebaute und sanierte Haus ein. Viele historisch Merkmale wie die lehmverstrichene Dachgeschossdecke, der Keller sowie Fachwerkwände blieben erhalten und wurden lediglich um eine moderne Haustechnik und Zentralheizung ergänzt.
Ein weiteres Schmuckstück steht an der Adresse Alt-Köpenick 15: Das Wohn- und Geschäftshaus wurde um 1770 als Andersonsches Palais errichtet. Es besitzt mit seinen symmetrischen Fassaden ein repräsentatives Erscheinungsbild. Der Mittelbau wird durch das Portal mit barocker Anmutung betont, während die seitlichen Fassaden leicht zurückgesetzt sind und Fassadenstuck für eine elegante Plastizität sorgt. Das abschließende Mansarddach erhielt zwei geschwungene Gauben. Prinzessin Henriette Marie soll die Bauherrin gewesen sein. Ähnliche Häuser sind aus Potsdam bekannt. Auch dieses Gebäude konnte mit dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz saniert werden und erstrahlt im historischen Glanz. Ein Stück weiter, Alt-Köpenick 10, entstand 1711 ein zweigeschossiges Wohnhaus mit sieben Achsen, einem Mansarddach mit drei Gauben und dezentem Stuck zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss sowie zur Betonung der Fenster. Auch dieses Haus blieb uns erhalten.

Die Straße Alt-Köpenick ist nicht nur wegen den Altbauten bedeutsam, sondern wegen ihrer stadträumlichen Beziehung zum Schloss. Sie führt direkt auf den Schlossplatz und das Schloss zu. Aus diesem Grund wurde auf die Gestaltung der Häuser besonderen Wert gelegt. Im Lauf der Jahrhunderte änderten sich die Bauvorschriften und Stile. So steht heute am Schlossplatz Ecke Alt-Köpenick ein imposantes Wohn- und Geschäftshaus der Gründerzeit mit mächtigem Turm, Erker, Backstein- und Putzfassaden. Seitlich schließen zwei weitere Geschäftshäuser mit nahezu identischen Fassaden an. Der schön angelegte Schlossplatz ist heute ein beliebter Zwischenstopp für Tagesgäste zum Verweilen. Danach geht es weiter zum Rathaus Köpenick für ein Foto mit dem Hauptmann von Köpenick, denn eine Bronze-Statue steht vor dem roten Backsteinbau.
Das neogotische Gebäude entstand 1902-1905 als eines der modernsten Verwaltungsgebäude der Zeit. Ein Highlight ist der große Ratssaal mit dem Erkerbalkon, den Spitzbogenfenstern und dem gestaffelten Giebel. Weithin sichtbar ist der Uhrturm des Rathauses mit gut 54 m Höhe. Glasursteine und matte Ziegel kamen an den Fassaden kunstvoll zum Einsatz. Auch der abwechslungsreiche Einsatz von unterschiedlichen Fensterformaten, Zierelementen und Türmen lockert den großdimensionierten Baukörper auf. Im Gebäude lassen sich viele interessante Baudetails, Stuckarbeiten und farbige Glasfenster entdecken. Es zählt zu den schönsten Rathäusern Berlins und steht unter Denkmalschutz. Gleich gegenüber dem Rathaus lädt der Luisenhain mit Blick auf das Wasser zum Verweilen ein. Hier ziehen im Sommer die Segelboote, Yachten und Ausflugsschiffe vorbei.

Zur Altstadt-Köpenick gehören auch die geschwungenen Straßen östlich der St. Laurentius Stadtkirche – ein Backsteinbau aus dem Jahr 1841 – samt Pfarrhaus an der Kirchstraße. Die Kirche wird von alten Bäumen umgeben. Nach 79 Jahren – seit 2015 – hat das schlichte Gebäude seine Kirchturmuhr wieder.
Gleich südöstlich der berühmten Altstadt liegt eine weitere historisch bedeutsame Gegend: der Fischerkietz. Gassen mit Kopfsteinpflaster und kleine Häuser mit hofseitigen Nebengebäuden waren einst die Unterkünfte der Fischer. Heute sind die Häuser restauriert und entführen in eine längst vergangene Zeit. Einmal im Jahr können die Besucher des Kietzer Sommer die kleinen Schmuckstücke entdecken. Schmale Gehwege führen bis hinunter an die Dahme, von wo der Blick aufs Schloss ein traumhaftes Panorama eröffnet.
So entführt Köpenick mit seinen kleinen Straßen und alten Gebäuden in mehr als 800 Jahre Geschichte, ist auch heute voller baulicher Kostbarkeiten und zu jeder Jahreszeit einen Ausflug wert.
Dr. Carsten Schmidt