Das Architektur-Juwel am Grunewaldsee
Versteckt zwischen imposanten Bäumen, umgeben von leicht geschwungenen Spazierwegen und umschlossen von niedrigen Wirtschaftsgebäuden erhebt sich das Jagdschloss Grunewald am Ufer des ruhigen Sees. Seine majestätische Ausstrahlung ist nur vom Wasser und dem gegenüberliegenden Ufer sichtbar. In der Nachmittags- und Abendsonne spiegelt sich die helle Fassade auf der Wasseroberfläche. In manchen Jahren wählt sich ein Schwan den See als Zuhause aus und sorgt für eine malerische Kulisse. Stets sind es die Geräusche des Waldes und der Vögel, die für ein meditatives Naturerlebnis sorgen.

Vor fast 480 Jahren wurde der Grundstein für das Jagdschloss gelegt. Kurfürst Joachim II. von Brandenburg ließ es für die wichtigste Freizeitbeschäftigung der damaligen Zeit errichten: die Jagd und die dazugehörigen Jagdfeste. Immerhin ist die Umgebung ideal für dieses Vergnügen, denn es gibt ausgedehnte Wälder, kleine Seen und dazwischen gute Möglichkeiten Tiere zu beobachten. Seinerzeit ging es für Kurfürst Joachim II. von Brandenburg vom Schloss in Berlin-Cölln gut 15 Kilometer durch den kurfürstlichen Tiergarten und dann über Stock und Stein in südwestlicher Richtung in das ausgedehnte Jagdrevier. Nach der Grundsteinlegung am 7. März 1542 begann Baumeister Caspar Theyss mit der Ausführung des Neubaus am Südwestufer des Sees. In kürzester Zeit entstand das Jagdschloss mit der ursprünglichen Bezeichnung “zum gruenen Wald genent”, wie die erhaltene Inschrift belegt.
Laut Überlieferungen handelte es sich ursprünglich um ein Wasserschloss, denn es stand direkt am See und war zur Landseite an drei Seiten von einem Wassergraben umgeben. Über eine Zugbrücke war das kompakte zweigeschossige Gebäude zu erreichen. Den Wassergraben umschlossen wiederum niedrige Gebäude. Darüber hinaus gab es zum Wald eine Mauer mit Turm und Wehrgang. Die Sicherheit der Jagdgesellschaft hatte oberste Priorität. Noch am Ende des 16. Jahrhunderts erhielt das Jagdschloss zur Seeseite erkerartige Anbauten. Am 3. Januar 1571 starb Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und somit geriet das Jagdschloss in Vergessenheit. Mehr als 100 Jahre später setzte sich Friedrich I. mit dem Bauwerk auseinander und ließ es ab 1706 von Martin Grünberg und Johann Heinrich Behr umbauen. Der Wassergraben wurde zugeschüttet, das Schloss erhielt ein drittes Geschoss, ein repräsentatives Mansarddach, weißverputzte Fassaden sowie große Rechteckfenster. Auch im Inneren gab es zahlreiche Veränderungen. Um 1770 erfolgte dann der letzte größere Umbau und bis 1918 diente das Gebäude den Hohenzollern als Jagdresidenz. Im Jahr 1973 erfolgte die Wiederherstellung des Renaissancesaals im Erdgeschoss, während die barocken Stuckdecken in anderen Räumen erhalten blieben. Somit gibt es einen Stilmix, der die Geschichte des Hauses dokumentiert.

Heute erhalten Besucher einen Eindruck davon, wie sich das Jagdschloss um 1790 präsentiere. Es wird auf der Landseite zu drei Seiten von niedrigen Nebengebäuden umgeben, die ganz unterschiedliche Stein- und Fachwerkfassaden, Fenster und Dächer haben. Die U-förmige Konzeption besitzt an zwei Seiten Tordurchfahrten und bildet gleichzeitig eine Hofsituation, die reichlich Platz für Pferde und Kutschen bietet. Es herrscht eine ruhige Stimmung, die eine gewisse Geborgenheit vermittelt. Vom Hof aus ist der Grunewaldsee je nach Jahreszeit kaum sichtbar, denn das Schloss steht nicht direkt am Ufer.
Bei einem Besuch im Sommer wird die große grüne Baumkrone unmittelbar am Schlosseingang die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen und es Bedarf eines zweiten Blicks, um die Architektur des Schlosses zu erfassen. Das dreigeschossige Gebäude besitzt in erster Linie zwei gestalterische Besonderheiten: den zweigeschossigen Vorbau und polygonalen Treppenturm. Beide Elemente treten aus dem Gebäudekörper hervor und geben dem Gesamtbau eine gewisse Tiefenwirkung. Der Vorbau mit ebenerdigem Eingang wirkt wenig royal. Über der massiven Holztür, die von hellem Naturstein umrahmt wird, sehen Sie auf der Sandsteintafel im Vordergrund zwei verkeilte Hirsche. Eine Legende besagt, dass hier zwei Hirsche nach einem Kampf gestorben seien. Andere Interpretationen gehen davon aus, dass die Hirsche nur die Funktion des Gebäudes widerspiegeln. Darüber zwei Fenster und der Schweifgiebel. Seitlich vom Vorbau dreht sich das Treppenturm mit seiner Kuppel und Bekrönung gen Himmel empor. Im unteren Bereich noch Originalsubstanz, wurde der Turm um 1705 erhöht, damit er zum neuen Gesamtkonzept passte – seinerzeit wurde die dritte Etage aufgesetzt und die Dachform so anpasst, dass das gesamte Gebäude wesentlich großzügiger wirkt.

Neben diesen schmückenden Elementen zeigt sich der übrige Schlossbau aufgrund der monochromen weißen Fassaden modern und klassisch zugleich. Der Sockel erhielt eine dezente Betonung durch horizontale Streifen, während die beiden darüberliegenden Etagen sich lediglich durch unterschiedliche Fensterformate unterscheiden – die kleinen Fenster auf der obersten Etage vermitteln fast den Eindruck eines Mezzaningeschoss. Ebenfalls klassisch muten die durchgehenden Fensterachsen und Symmetrie an, was sich an der seeseitigen Fassade besonders deutlich zeigt. Es gibt an jeder Fassade kleine Besonderheiten zu entdecken, die auf die wechselvolle Geschichte des Schlosses verweisen. Seit 1932 ist das Jagdschloss Grunewald Museum und beherbergt heute Berlins größte Cranach-Sammlung.
Carsten Schmidt