TH62
– modernes Wohlfühlen?

Ja – es ist möglich. Man kann einen modernen Architekturstil mit dem Wunsch der zukünftigen Bewohner, sich in den eigenen vier Wänden heimelig zu fühlen, vereinen. So neuerdings zu beobachten im Norden Berlins, wo vor kurzem die Wohnanlage TH62 entstanden ist. Was klingt wie der Name eines Androiden im Krieg der Sterne, bezieht sich der Name schlicht auf die Anschrift in der Thulestraße an der Grenze von Pankow und Prenzlauer Berg.

Eine historische Adresse

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© RIV / SL

1885 übernahmen der Kaufmann Ernst Engelhardt und der Braumeister Rudolph Frömchen die Breslauer Weizenbier-Brauerei. Der leider oft in Vergessenheit geratene Ignatz Nacher kaufte ihnen das Unternehmen im Jahr 1903 ab. Später stieg die „Engelhardt-Brauerei Nachf. OHG (Ignatz Nacher)“ zum zweitgrößten Bierhersteller Deutschlands auf.

1905 wandelten Ignatz Nacher und sein Teilhaber Otto Mayer das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um – die Engelhardt-Brauerei AG. Zur gleichen Zeit richteten sie den Braubetrieb in Pankow bei Berlin ein – in der Kaiser-Friedrich-Straße 21–29, heute Thulestraße 48–64. Fast 50 Jahre später im Jahr 1983 übernahm die Firma Schultheiß dieses geschichtsträchtige Gebäude. 1998 endete hier die Produktion und die Zukunft des Geländes stand in den Sternen.

Heute steht dort nun das Wohnensemble TH62, in einer Nachbarschaft von Wohnbauten aus der Gründerzeit, Weimarer Republik, DDR und den 1990er Jahren. Dieses architektonische Highlight aus sechs freistehenden Häusern ist ein schönes Beispiel dafür, wie der Einsatz von hellem Holz den Anblick einer Außenfassade auflockern kann. Eine der Besonderheiten sind die vor- und zurückspringenden Loggien auf den Terrassen. Sehr individuell. Bodenlange Glasfronten und geräumige Terrassen, die das Gebäude auf ganzer Länge umlaufen, tun ihr Übriges für einen lichtdurchfluteten, friedlich-eleganten Wohnraum.

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© RIV / SL

Der Vision des Architekturbüros Zanderroth zufolge sollen diese sogenannten vertikalen Gärten in üppigem Grün erstrahlen und verschiedene Wohneinheiten freundlich miteinander verbinden. 2460 Pflanzenkübel haben sie dafür auf den Balkonen verteilt. Sie bieten Lebensraum für diverse Pflanzenarten, Insekten und Vögel.

TH62 erinnert vom äußeren Gepräge her ein wenig an das Bauprojekt ÜBERLIN im ehemaligen Rathaus Steglitz. Doch während an der Schlossstraße leider seit einiger Zeit Baustopp herrscht und die Fassade nur auf Bildern zu sehen ist, ist die Anlage in Pankow sogar bereits bezogen.

Welch eigenen Stil sie tatsächlich besitzt, offenbart sich z. B. auch bei einem Blick in das schneeweiße Treppenhaus. Beim Anblick der gewendelten Stufen entscheidet man sich sehr schnell für große Bewunderung dieser extravaganten Bauleistung. Sie wirken nicht nur funktional – sondern auch beindruckend durch den Tageslichteinfall von oben. Tatsächlich dürfte dieses Atrium über die gesamte, siebenstöckige Haushöhe eine Selten – wenn nicht Neuheit im Berliner Wohnungsbau darstellen. TH62 ist somit eine Edel-Wohnanlage aus einer gelungenen Mischung von Hotelfeeling und dem Gefühl zu Hause zu sein.

Zanderroth haben in ihrem bisher größten Projekt einen beruhigenden, gleichwohl spannenden und dem Vernehmen nach auch kostengünstigem Wohnbau erschaffen.

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Auf dem ehemaligen Brauerei-Gelände ist eine Anlage entstanden, in der sich die verschiedensten Mieterbedürfnisse zusammenfinden können. Denn die Wohnungsgrößen reichen von 1,5 Zimmern mit 43 m² bis hin zur 5-Zimmer-Dachterrasse mit 209 m².

Das jeweilige Nachbarhaus ist weit genug weg für Privatsphäre oder einen schweifenden Blick. Dafür sorgt auch die versetzte Anordnung aller Gebäude, gegenüber einer Wohnanlage von Erwin Gutkind und begünstigt von dem Knick, den die Thulestraße hier macht. Ohne den klassischen Blockrand wirkt die Anlage im Ganzen großzügig und angenehm proportioniert. 11.000 m² Garten über einer großen, gemeinsamen Tiefgarage geben Ellbogenfreiheit und einen weiten Blick über das offen gehaltene Areal.

Edel und gemütlich – TH62 ist ein schöner Blickfang in dem circa 100 Jahre alten Siedlungsbezirk im Norden Berlins.

EXKLUSIV / Martin E. Hiller

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